Achtsam durch das Gartenjahr – September
- 4. September 2023
Im September wandern bei uns die Schumpe (Jungvieh) wieder hinunter ins Tal. Die Sonne zieht hinab ins Sternbild der Jungfrau. Nach der Herbst‐Tagundnachtgleiche werden die Tagesstunden kürzer als die Nachtstunden. Es wird kühler. Es kann jederzeit Frost geben. Im Garten geht das Abernten weiter.
„September schön in den ersten Tagen, will den ganzen Herbst ansagen.“
Bauernregel
Verbreitung
Weltweit verbreitet in den gemäßigten
Klimazonen
Standort
Auf stickstoffreichen Böden in der Umgebung oder der Nachfolge menschlicher Siedlungen
Vegetationszeit
Ausdauernd. Treibt im frühen Jahr aus dem Wurzelstock wieder aus
Sammelzeit
Junge Blätter: März bis zur Blüte
Grüne Samen: Juli bis August
Reife Samen: Oktober
Verwendbare Teile
Ganze Pflanze, junge Blätter, Samen
Große Brennnessel (Urtica dioica )
Für die meisten Menschen ist die Brennnessel der Inbegriff des Unkrauts. Dabei verfügen wir mit dieser zu Unrecht geächteten Pflanze über eine der mächtigsten Heilpflanzen, die die Natur uns quasi überall kostenlos anbietet.
Der Schweizer Kräuterpfarrer Johann Künzle meinte, sie sei so heilkräftig, dass die Menschen sie wahrscheinlich ausgerottet hätten, hätte sie nicht ihre Brennhaare, um sich gegen übermäßige Ernte zu wehren. Das Kraut ist nicht nur ein vitaminreiches Frühjahrsgemüse. Als Tee aufgegossen wirkt es blutreinigend oder entschlackend, deshalb ist es hilfreich bei Ekzemen und rheumatischen Beschwerden. Der Tee hilft bei Harnwegsentzündungen, Nierengrieß und Blutarmut und regt die Bauchspeicheldrüse an. Die Samen sind, ähnlich wie Ginseng, ein leistungssteigerndes Gesundheitselixier; sie enthalten Phytohormone, viel Vitamin E, Linolsäure, Mineralien und andere Vitalstoffe. Sie sollen auch die Potenz anregen, weswegen sie den Mönchen und Nonnen im Mittelalter verboten waren. Inzwischen wurde entdeckt, dass eine Tinktur aus den Wurzeln bei der Behandlung von Prostatabeschwerden wirksam ist. Seit der Steinzeit verwendete man die Brennnessel als Faserpflanze zur Herstellung von Seilen, Stricken, Netzen und Textilien.
Auch als BioGärtner wollte ich aus diesen Gründen nicht auf Brennnesseln verzichten:
Wo die Brennnessel wächst, hinterlässt sie gute, humusreiche Erde. Diese Bodenverbesserung erzielt man auch mit der Anwendung von Brennnesseljauche. Die Jauche stimuliert die Bodenbakterien und belebt den Boden. Gemähte Brennnesseln fördern, als Beigabe im Kompost oder im Güllebehälter, eine günstige Rotte oder Vergärung. Die Jauche regt das Immunsystem der Pflanzen an und wehrt Schädlinge ab. In unserem 2 Hektar großen Gemüsegarten wurden wir damit den Befall von Blattläusen in kürzester Zeit los. Wir brauchten kein Gift einzusetzen, sondern nur den Boden rund um die betroffenen Pflanzen mit verdünnter Brennnesseljauche gießen.
Mit Brennnesseln hat man früher entrückte und »seelisch schwebende« Menschen geschlagen, um sie wieder zurück ins Hier und Jetzt zu bringen.
Literaturtipp
Vom ersten Umgraben im Vorfrühling bis zur letzten Ernte im Winter – darum geht es in meinem Buch Der Selbstversorger: Mein Gartenjahr, – hier verrate ich meine ganz persönlichen Tipps und Tricks zur erfolgreichen Gartenpraxis
Was kann man mit dem "Unkraut" tun:
- Brennnesseljauche: Als Behälter dient ein Fass, am besten ein Holzfass. In dieses wird frisches Pflanzenmaterial locker eingefüllt und mit Regenwasser aufgefüllt. Man überlässt den Inhalt der Gärung. Bis die Jauche reif und ausgegoren ist, dauert es zwischen 10 Tagen und 3 Wochen. Die Jauche darf nur verdünnt im Verhältnis 1:10 ausgebracht werden. Da Brennnesseln eisenhaltig sind, unterstützt die Jauche die Chlorophyll‐Synthese in den Pflanzen.
- Junge Brennnesselblätter und ‐triebe (am besten nur die Triebspitzen mit den obersten zwei oder vier Blättern verwenden) ergeben ein schmackhaftes Gemüse. Brennnessel‐Omelett ist eine Delikatesse. Junge Brennnesseln können auch getrocknet, zu Pulver verrieben und durchgesiebt werden. Das nahrhafte Pulver kann man aufbewahren und für Suppen, Saucen oder im Frühstücksbrei verwenden. In England wird noch heute ein entschlackendes, harntreibendes Brennnesselbier gebraut.
- Es loswerden: Wo Brennnesseln nicht wachsen sollen, kann man sie relativ einfach entfernen, indem man sie samt ihrem gelblichen Wurzelstock ausgräbt. Kraut und Wurzeln kann man zerkleinert auf den Kompost geben.
Dieses brennende Kraut macht wach, bringt einen in die Gegenwart und löst
Zauber.
Anwendungen mit Brennnessel
- Der wassertreibende Tee wirkt entzündungshemmend und steinlösend in den ableitenden Harnorganen.
- Die kleinen Samennüsschen enthalten Phytohormone, Schleimstoffe, bis zu 30 Prozent fettiges Öl mit hohem Gehalt an Linolsäure, viel Vitamin E und andere Vitalstoffe. Die Samen wirken vitalisierend und potenzstärkend.
- In der Volksmedizin der alten Europäer, Sibirier und Indianer streute man die getrockneten, gemahlenen Wurzeln und Blätter als Blutstiller auf Wunden.
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Kommentar
Vielen Dank 🙏 für die vielen Informationen.
Sehr informativ, danke.
Wolf Dieter Storl, eine Kategorie Menschen die leider viel zu selten und rar sind und mit seinen Beiträgen und persönlichen Erfahrungen, ein absolutes Juwel mit dem Umgang Mensch und Natur darstellt. Zurück zur Ursprünglichkeit ist der Schlüssel zu allem.
Grüße.