Der Apfelbaum – Die heilige Frucht der Kelten
- 12. November 2024
Für die Kelten war der Apfel, auch wenn es sich um den herben Holzapfel handelte – die kultivierten Gartensorten kannten sie noch nicht –, das wichtigste Obst. Sie kochten die Äpfel zu Mus, pressten sie zu erfrischendem Most, stellten aus ihnen Essig her und trockneten die zu Scheiben geschnipselten Äpfel (»Apfelschnitz«) am Herd, wo sie durch das Trocknen süßer und haltbarer wurden. Der Apfel ist eine Frucht des Herbstes, die sich in den nordischen Ländern am besten über den Winter einlagern lässt.
An apple a day, keeps the doctor away.
– Sprichwort aus England
Der Apfel als Symbol
Ansonsten hatten die Kelten in der düsteren Jahreszeit fast kein Obst. Er war die Speise, die während der toten Jahreszeit gesund erhielt und zugleich als Totenspeise geeignet war. Das vitaminreiche, Lebenskraft spendende Obst galt als eines der gesündesten Nahrungsmittel. Noch immer sagt man in England: »An apple a day, keeps the doctor away.« (Wenn man jeden Tag einen Apfel isst, bleibt
der Arzt fern.)
Der reife Apfel, rund und rotgelb, wie die im Westen untergehende Sonne, symbolisierte wie kein anderes Gewächs den Gang in die Tiefe, in die Anderswelt, in die Welt der Elfen, der Ahnen und der Götter. Avalon, das Apfelland, war eine der keltischen Bezeichnungen für die Anderswelt. Und diese war keine Welt der trostlosen Schatten und schon gar nicht eine Hölle, sondern ein Paradies, ein Schlaraffenland. Ein geheimnisvoller Besucher, prächtig gekleidet in purpurrotem Mantel und goldbesticktem Rock, bringt dem großen König Irlands, Cormac, einen Apfelzweig aus Silber mit drei goldenen Äpfeln aus der Anderswelt mit.
Liebliche Musik, die Kranke, schwer Verletzte und Wöchnerinnen einschläfern konnte, ging von dem Apfelzweig aus, wenn man ihn schüttelte. König Cormac will wissen, woher der Fremde kommt. Dieser – er ist kein anderer als der Gott Lug selbst – antwortete: »Aus einem Land, in dem es nur die Wahrheit gibt und wo weder Alter, Verfall und Dunkelheit, weder Eifersucht, noch Hass oder Bosheit herrschen.« Diese Äpfel symbolisierten – wie der »Reichsapfel« der deutschen Kaiser später – die legitime Herrschaft des Königs, der ja auch der Garant des Wohlstandes seines Volkes ist.
Der Apfel symbolisiert den Gang in die Tiefe.
Immer wieder erscheinen die magischen goldenen Äpfel in der keltischen Sage. Meist werden sie mit Lug, der für Reife und Vollkommenheit zuständig ist, oder mit »seligen Inseln« im Westen assoziiert. So fordert Lug als Strafzahlung für den Mord an seinem Vater Cian drei Äpfel aus dem westlichen Paradies. Diese Äpfel, groß wie der Kopf eines Säuglings und von der Farbe polierten Goldes, schmecken nach Honig, sie stillen blutende Wunden und bringen jede Krankheit zum Verschwinden; wenn man von ihnen isst, werden sie nicht kleiner.
Avalon, das Apfelland, war eine der keltischen Bezeichnungen für die Anderswelt
Keltische Mythologie des Apfels
Der Apfel ist in der keltischen Mythologie also Symbol der Vollendung und der Weisheit. Er ist die Frucht der Unsterblichkeit. Im Gegensatz zum »Apfel« der biblischen Geschichte ist er nicht Symbol der Sünde, die Adam und Eva aus dem göttlichen Paradies vertrieb. Im Gegenteil, der Apfel führt in das Paradies.
Typisch für die keltische Auffassung in Bezug auf die Frucht ist die Geschichte des jungen Condla, des Sohnes von König Conn. Dem jungen Krieger erschien eines Tages ein wunderschönes Mädchen, das ihn bat, ihm zum Sid (Grabhügel) zu folgen. Er verliebte sich in sie und wollte mitgehen. Der Vater versuchte ihn zurückzuhalten, vermochte es aber nicht. Da rief der Vater den Oberdruiden und bat ihn, mit seinen Zauberkräften die Andersweltliche zu bannen. Da sang der Druide seinen Bannspruch, so dass niemand mehr ihre Stimme vernahm und niemand sie mehr sehen konnte. Doch bevor sie vor dem Druiden zurückwich, warf sie dem jungen Condla einen Apfel zu. »Einen Monat lang nahm Condla daraufhin weder Speise noch Trank zu sich. Es schien ihm, dass nichts außer dem Apfel des Genusses wert sei. Der Apfel wurde hingegen dabei nicht weniger und blieb als Ganzes erhalten, obwohl er ihn aß« (Le Roux / Guyonvarc’h 1996: 197). Condla aber konnte die schöne Botin aus dem Jenseits nicht vergessen. Von Sehnsucht gepackt, sprang er in das Kristallboot und fuhr mit, als das Mädchen noch einmal auftauchte. Er wurde nie wieder gesehen.
Aus dem Buch "Die Pflanzen der Kelten"
Eine Reise in die Welt der keltischen Wirklichkeit.
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Kommentar
So super alles von Wolf Dieter Storl,genau mein Weltbild, super Mensch! Danke sehr!! Ich bin begeistert davon. Hätte ich ihn nur früher gekannt
von Wolf Dieter Storl bin ich sehr begeisert .
Auch habe ich 2 Bücher